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„Mit uns nicht!“

Für ihr NS-verherrlichendes Aufmarsch-Vorhaben am 8. Mai, dem Tag der militärischen Befreiung vom Nationalsozialismus, haben die Münchner Neonazis sich erstmals nicht die Innenstadt, sondern die südwestlich gelegenen Stadtviertel Fürstenried-West und Großhadern ausgesucht.  Dort formiert sich jetzt jedoch deutlicher Widerstand. a.i.d.a. gibt einen Überblick über Reaktionen und Gegenaktivitäten am kommenden Samstag.

Was die Neonazis planen

Die „Freien Nationalisten München“  und süddeutsche Neonazis aus dem „Freien Widerstand Süddeutschland“ mobilisieren zu einem am 8. Mai 2010 geplanten Neonaziaufmarsch in München. Die beiden „Bürgerinitiative Ausländerstopp München“-Funktionäre Philipp Hasselbach als Anmelder und Roland Wuttke als Versammlungsleiter werben dafür, sich zuerst um 17.30 Uhr am (bisher nicht als Versammlungsort angemeldeten) Hauptbahnhofs-Ausgang Arnulfstraße zu treffen. Mit der U-Bahn wollen die Neonazis dann nach Fürstenried-West fahren (U3) und dort auf dem Schweizer Platz eine Kundgebung durchführen. Dann haben die ca. 70 Teilnehmenden laut Anmeldung vor, um 18.30 mit Fackeln und Trommeln über die Graubündener Straße und Tischlerstraße am Asylberwerber_innenheim zur Kriegsgräberstätte  zu ziehen. Nach einer 45-minütigen Kundgebung soll über Tischlerstraße und Sauerbruchstraße am Festzelt des Haderner Dorffestes (Max-Lebsche-Platz) vorbei zum U-Bahnhof Großhadern (U6) weitermarschiert werden, wo die Neonazis von 21.00 Uhr bis 22.15 Uhr eine Abschlußkundgebung (Kreuzung Sauerbruch-/Waldwiesen-/Würmtalstr.) ankündigen.

Die Reaktionen in den Stadtteilen

Diese Pläne lösten einerseits massive Empörung, aber auch ein großes antifaschistisches Engagement andererseits aus. Hans Bauer, Vorsitzender des Bezirksausschuß 19 (Obersendling-Thalkirchen-Forstenried-Fürstenried-Solln) sagte zu den braunen Aufmarschplänen: „Mit uns nicht! Alle Bürgerinnen und Bürger unserer Stadtteile und ganz Münchens sind aufgerufen, sich dem entgegenzustellen.“ Frauke Bristot, die stellvertretende Vorsitzende des Bezirksausschuß 20 (Hadern) bekräftigte: „Denen können wir doch nicht unwidersprochen unsere Straßen überlassen!“

Der Münchner CSU-Stadtrat Michael Kuffer brachte in den Kreisverwaltungsausschuß am 27. April einen Dringlichkeitsantrag („Kein Raum für braune Propaganda!“) ein, mit dem der Münchner Stadtrat dem KVR bei einem Versuch, den Neonazi-Aufmarsch behördlich zu verhindern, Rückendeckung signalisiert. Der Stadtrat beschloß den von Kuffer gestellten Antrag, in dessen Begründung es heißt: „Der 8. Mai ist ein Tag des Gedenkens an die Schrecken von Krieg und Unterdrückung, der Mahnung zu Frieden, Freiheit und Demokratie als unschätzbar wertvolle Güter der Menschlichkeit und auch der Freude über die Befreiung Deutschlands vom nationalsozialistischen Terror.“
Der Neonazi-Stadtrat Karl-Richter (BIA) schäumte:  Gegen „Betroffenheitsgewabere“, „Wahnvorstellungen“ eines „Meinungskartells“ und das „ungelenke Deutsch“ des „CSU-Apparatschicks Kuffer“ hetzte der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende in einer BIA-Pressemitteilung.

KVR kommt Forderungen nach einem Verbot nicht nach

Die Bezirksausschüsse 19 und 20 richteten an an das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) Aufforderungen, den neonazistischen Aufmarsch „auf jeden Fall zu verbieten“. Die Mitglieder des Bezirksausschuß 20 hatten argumentiert, das Verbot gebiete unter anderem „unsere moralische Verpflichtung gegenüber den Opfern des Nazi-Regimes“. Die „traumatisierten Familien“ im Flüchtlingslager Tischlerstraße würden „durch die Veranstaltungsteilnehmer mit Fackeln, Trommeln und Megaphon, aber auch durch das erhöhte Polizeiaufkommen erneut traumatisierenden Erfahrungen ausgesetzt.“ Insbesondere am Münchner Waldfriedhof sei „jegliche Verhöhnung, erst recht an einem Jahrestag der Befreiung von der Nazi-Herrschaft, mit allen Mitteln zu unterbinden.“ Auch der Bezirksausschuß 7 hatte die Anträge auf ein Verbot unterstützt: „Für den BA 7 Sendling-Westpark ist es nicht hinnehmbar, dass Neonazis am 08. Mai 2010 (…) ungestört durch den Münchner Süden marschieren dürfen und zeigt sich solidarisch mit den angrenzenden und betroffenen Bezirksausschüssen 19 und 20“.

Das Kreisverwaltungsreferat hat jedoch kein Verbot erlassen. Nach a.i.d.a.-Informationen wird den Neonazis lediglich das Betreten der Kriegsgräberstätte untersagt. Über einige einschränkende Auflagen wurde beim KVR am Mittwoch noch diskutiert. Beim sogenannten Kooperationsgespräch, das am Dienstag, 3. Mai 2010 im KVR angesetzt war, sollen weder Philipp Hasselbach noch Roland Wuttke erschienen sein.

Die antifaschistischen Gegenaktivitäten

Vielfältige Proteste und Gegenaktionen sind für den kommenden Samstag in Vorbereitung. a.i.d.a. gibt einen Überblick:

Zum Start des Aktionstags gegen den Naziaufmarsch organisieren Antifaschist_innen in der Innenstadt eine „Antifaschistische Demonstration anlässlich des Tages der Befreiung“, die um 14.30 Uhr am Rindermarkt (Nähe Marienplatz) beginnen soll. Ein Bündnis, dem linke und antifaschistische Gruppen, die Partei Die LINKE und die Münchner Jusos angehören, mobilisiert zur Demo (14.30 Uhr) und zu anschließenden Gegenaktionen in Fürstenried-West (16.00 Uhr), mit einem auf dem 8mai10-Blog veröffentlichten Aufruf. Die Münchner Antifaschist_innen geben sich darin zuversichtlich und verweisen auf die Erfahrungen organisierter Gegenaktionen beim letzten Neonaziaufmarsch in München, dem sog. „Heldengedenkmarsch“ am 14. November 2009:

„Nachdem die Nazis auf Grund massiver Proteste am 14.11.09 nach der Hälfte der geplanten Route abbrechen mussten, die Nazis durch die Intervention von Antifaschist_innen erst die oft zu Tagungen, Kameradschaftsabenden und weiteren Veranstaltungen genutzte Kneipe ‚Glaskasten‘ als Treffpunkt verloren und den Mietvertrag für ein geplantes Versammlungshaus in Fürstenried noch vor Abschluss der Renovierungsarbeiten auch schon wieder gekündigt war, wollen wir am 8.Mai an diese Erfolge anknüpfen (…) Verhindern wir den Naziaufmarsch gemeinsam!“

„München ist bunt!“

Über 100 Bürger_innen aus dem Münchner Südwesten treffen sich derzeit regelmäßig, um Gegenaktivitäten gegen den Neonaziaufmarsch vorzubereiten. Micky Wenngatz koordiniert für die Bezirksausschüsse die Aktionen rund um das „Kulturfest für Demokratie und Toleranz“ an der Ecke Tischlerstraße/Forst-Kasten-Allee, in das viele Organisationen, Vereine und Verbände der betreffenden Stadtteile eingebunden sind. „Es sind viele kreative Vorschläge zusammen gekommen und wir werden ein buntes und abwechslungsreiches Fest auf die Beine stellen“, so Wenngatz. Auftritte von Bands und Artisten sind unter dem Motto „München ist bunt!“ geplant, der frühere Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel ist als Redner eingeladen.

Das Bündnis „München ist bunt!“ spricht sich in einem Aufruf auf der „München ist bunt!“ -Homepage deutlich gegen den Naziaufmarsch aus, „für das Gedenken und gegen neonazistische Propaganda“. Ab 16.00 Uhr soll auf der an der Naziroute gelegenen Wiese gegen den Naziaufmarsch protestiert werden. Gegenüber dem „Münchner Merkur“ sagte der Bezirksausschußvorsitzende Hans Bauer: „Ziel ist es, den Aufmarsch zu unterbinden“. Über 300 Personen und Gruppen unterstützen mittlerweile den Aufruf „München ist bunt!“ Es geht also auch ohne Extremismustheorie und Ausgrenzung: Zu den  Unterzeichner_innen des „München ist bunt!“-Aufrufs gehören mittlerweile Parteien und Organisationen von der „CSU-Fraktion im BA 19“  über den „Pfarrverband Fürstenried-Maxhof“ bis zur „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der AntifaschistInnen“ (VVN/BdA). Prominente Aufrufer_innen haben sich ebenfalls gemeldet, darunter sind Oberbürgermeister Christian Ude, die evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler, Kabarettist Dieter Hildebrandt und die Holocaust-Überlebenden Ernst Grube, Martin Löwenberg und Max Mannheimer.

Die Proteste in Fürstenried und Hadern werden vom benachbarten Bezirksausschuß Sendling unterstützt: „Wir Sendlinger tragen Verantwortung für das, was vor unserer Haustüre passiert“, begründete der SPD-Fraktionssprecher Ernst Dill einen später vom BA beschlossenen Antrag. Am 8. Mai 2010 findet bereits um 15.00 Uhr am SPD-Bürgerbüro an der Daiserstr. 27 eine lokale Auftaktkundgebung statt. Von dort geht es gemeinsam mit der U3 von Sendling aus zu den Aktionen am Schweizer Platz.

„Protest gegen Neonazis funktioniert – wenn genug Menschen mitmachen. Die Bürger müssen neonazistische Aufmärsche in ihren Städten nicht hilflos erdulden. Das zeigen die Ereignisse des 1. Mai in Berlin“ erinnert das Bündnis „München ist bunt!“ an die (u. a. durch die Beteiligung des SPD-Politikers Wolfgang Thierse bekannt gewordene) Blockade eines Neonazi-Aufmarsches durch tausende Antifaschist_innen in der Hauptstadt: „Der Marsch von rund 700 Neonazis war nach wenigen hundert Metern zu Ende“.

siehe auch die a.i.d.a.-Artikel:
Neonazistische Provokation zum 8. Mai in München
Keine Nazi-Immobilie in München-Forstenried

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